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Google und Patente: Defensiver Ansatz oder widersprüchliches Verhalten?

Googles Chefetage hatte in den letzten Jahr einiges zum Thema Patente zu sagen: Vor allem Software-Patente seien unnötig, zumeist qualitativ minderwertig und würden der Innovation im Weg stehen. Letztlich würden sie nur dazu dienen, von Unternehmen, die selber nicht innovieren können, vor Gericht verwendet zu werden. Im krassen Gegensatz dazu steht allerdings die Tatsache, dass Google hart daran arbeitet, ein großes Patentportfolio aufzubauen. Wie hart, das zeigte Antonio Regalado kürzlich in einem Beitrag bei Technology Review auf.

Google

Patents Galore: Wie Google das eigene Portfolio vergrößert

Nach Angaben des US Patent and Trademark Office (USPTO) werden momentan täglich im Durchschnitt 10 Patente durch Google Erfinder angemeldet. Google scheint momentan einfach alles zu patentieren – von automatischen Autos bis zu auf Ballons basierenden Netzwerken. Zum Vergleich: 2003 wurden Google genau drei Patente zugesprochen. 2013 werden es nach bisherigen Schätzungen bis zu 1800.

Das Unternehmen ist offensichtlich darum bemüht, ein großes Patentarsenal aufzubauen. Dies tut es nicht nur durch eigene Erfindungen. Im letzten Jahr kaufte Google für 12,5 Milliarden Dollar das Unternehmen Motorola, und zwar mit einer einzigen Intention: Um sich das beeindruckende Patentportfolio einzuverleiben. Außerdem erwarb Google mehr als 1000 Patente von IBM. Nach eigenen Angaben kontrolliert das Unternehmen inzwischen mehr als 51.000 Patente.

Patente als Verteidigungsmittel

Aber wozu? Schließlich sagt Google selber, dass das Patentwesen kaputt ist und dringend einer Novellierung bedarf. Der Grund ist relativ simpel: Google muss sich gegen andere Unternehmen zur Wehr setzen können. In den letzten Jahren haben die Patentstreitigkeiten massiv zugenommen, und die resultierenden Urteile sind teilweise gewaltig – man denke nur an das Urteil im Verfahren Apple gegen Samsung.

Die Bemühungen Googles um das eigene Patentportfolio begannen 2007. Es ist kein Zufall, dass in diesem Jahr auch das iPhone erschien. Steve Jobs hatte nach einem 100-Millionen-Dollar-Verlust bezüglich des iPods erkannt, dass er seine Produkte schützen musste. Beim iPhone war quasi alles mittels eines Patents geschützt. Von Hardware-Elementen wie dem Homebutton bis hin zu Details der Software iOS. Und auch Google schien erkannt zu haben, dass man sich im Rahmen des geltenden Patentsystems schützen müsse.

Google gegen das Patentsystem

Offiziell spricht Google sich auch weiterhin gegen die momentane Form des Patentsystems aus. Für das Unternehmen kommt es aus mangelnder Innovation heraus zu Patentklagen. Als der erste wirkliche Smartphone-Kampf 2011 vor Gericht begann, sagte Googles damaliger CEO Eric Schmidt: „We have seen an explosion of Android devices entering the market and, because of our successes, competitors are responding with lawsuits as they cannot respond through innovations. I’m not too worried about this.

Google hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die mit dem Patentportfolio verfolgten Intentionen defensiv sind. Das Unternehmen unterstützt Reformpläne für das Patentsystem, die es deutlich erschweren würden, Patente auf Software zu gewinnen und vor Gericht zu nutzen. Man ging mit gutem Beispiel voran, als Google mehr als ein Dutzend Patente kostenfrei für Open Source Projekte zur Verfügung stellte und versprach, nicht zu klagen, außer man werde vorher angegriffen.

Googles Patente: Mehr Innovation oder aus den Umständen erwachsen?

Es stellt sich eine zentrale Frage: Bedeutet der massive Zuwachs an Patenten aus Googles Feder, dass das Unternehmen heute innovativer ist als vor 10 Jahren oder wurde man schlicht aus den Umständen, die das Patentsystem diktiert, gezwungen, ein solch beeindruckendes Portfolio aufzubauen?

Bisher hat Google sich in den Patentkämpfen tatsächlich recht defensiv verhalten. Die Klage gegen die Pushbenachrichtigungen bei iCloud-Mail in Deutschland wurde deutlich vor dem Kauf von Motorola durch Google erhoben, und daneben beschränkt das Unternehmen sich bisher weitestgehend darauf, sich gegen Patentklagen zu wehren. Zwar gibt es einige wenige Verfahren, in denen Google Patente aggressiv gegen andere Unternehmen eingesetzt hat (Stichwort Xbox), aber diese stehen in keinem Verhältnis zu der Macht, die in dem Portfolio des Unternehmens schlummert.

Innovativ war Google aber schon immer. Wie jedes andere Unternehmen auch kann man nicht permanent innovative Technologien entwickeln, aber was momentan aus Googles Kreativabteilung kommt, ist beeindruckend. Als Beispiel seien hier nur Google Glass oder Project Loon genannt.

Tendenziell kommt man daher zu dem Schluss, dass Google durch das aktuelle Patentsystem in eine defensive Position gedrängt wurde. Wer Patente hat, der klagt. Dieses Credo wird momentan vor allem in der Tech-Branche an jeder Ecke umgesetzt. Google jedoch hat sich dem bisher auf erfrischende Art und weise entzogen und schien mehr an Reformen als an Patentklagen interessiert. Ob das ein permanenter Zustand ist, bleibt jedoch abzuwarten. Schließlich ist auch Google nur ein normales Unternehmen, dass sich in diversen Konkurrenzsituationen befindet. Und die Versuchung, der besagten Konkurrenz durch das eigene Patentportfolio Schaden zuzufügen ist sozusagen permanent gegeben.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Unternehmen, die ihr Patentportfolio offensiver einsetzen, automatisch nicht innovieren können. Hier irrt Google. Vielmehr dienen auch solche Klagen meistens dazu, die eigene Position zu schützen. Es handelt sich lediglich um einen aggressiveren Ansatz.

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3 Kommentare

  1. Alexander Trisko

    Ja, ich weiß, dass in der Push-Nachricht noch ein übler Fehler war.^^

  2. Es geht auch sachlich.thumbs up

  3. Wirklich guter und äusserst interessanter Artikel. Vielen Dank!