Mit der Umsetzung des EU-Digital Markets Act hat sich das Apple-Ökosystem erstmals spürbar geöffnet. Seit iOS 18.1 können Nutzerinnen und Nutzer in der Europäischen Union Apps auch außerhalb des App Store installieren – eine kleine Revolution im sonst geschlossenen Apple-Kosmos. Doch wie offen ist diese neue Freiheit tatsächlich, und wie reagieren die Nutzer darauf?
Was der Digital Markets Act fordert
Der Digital Markets Act verpflichtet sogenannte Gatekeeper-Unternehmen – darunter Apple, Google, Meta – zu mehr Fairness und Interoperabilität. Ein zentrales Ziel ist, Abhängigkeiten zu reduzieren und Nutzerinnen und Nutzern mehr Wahlfreiheit zu geben.
Artikel 6 Absatz 4 des Gesetzes schreibt explizit vor, dass Plattformen Sideloading, also die Installation von Dritt-Apps oder alternativen App-Stores, nicht mehr verbieten dürfen – solange angemessene Sicherheitsstandards gewahrt bleiben. Damit bricht der DMA mit einem Grundprinzip, das Apple seit dem ersten iPhone verfolgt: absolute Kontrolle über den Software-Zugang.
Öffnung mit Sicherheitsnetz
Apple begann im Frühjahr 2024 mit der Umsetzung der DMA-Anforderungen in der EU und erweiterte die Funktionen 2025 mit iOS 18.1 weiter. Dies hat zur Folge, dass:
- Nutzer in der EU künftig Apps über andere App-Marktplätze als den App Store herunterladen können,
- jede App durch ein neues Prüfverfahren namens Notarisation laufen muss, bevor sie installiert wird,
- für alternative Zahlungen und App-Downloads eine Sicherheitsfreigabe in den Einstellungen erforderlich ist,
- Apple weiter warnt, dass die Öffnung das Risiko für Datenschutzverletzungen und Malware erhöht.
Diese Struktur zeigt: Apple erfüllt die gesetzlichen Vorgaben formal, hält aber an einer klaren Sicherheits- und Kontrollarchitektur fest.
Nutzer bleiben vorsichtig
Die neue Dynamik zeigt sich in verschiedenen Branchen, darunter auch Glücksspiel und Musik-Streaming. Viele top Poker Seiten verfügen inzwischen sowohl über mobil optimierte Webseiten als auch über eigene Apps. Die neuen DMA-Regeln könnten Anbieter künftig zusätzliche Vertriebswege eröffnen, sobald Apple die technischen Rahmenbedingungen in der EU vollständig umgesetzt hat. Damit entsteht langfristig die Möglichkeit, Updates und Versionen schneller und direkter anzubieten als bisher.
Ein ganz anderes Beispiel ist Spotify. Der Streaming-Dienst testet seit Sommer 2025 in mehreren EU-Ländern ein eigenes Vertriebssystem für Premium-Abos und App-Updates, das unabhängig vom App Store funktioniert. Über direkte Links in der App können Nutzer Abos erstmals direkt bei Spotify abschließen, ohne die bisher übliche 30-Prozent-Provision an Apple. Dieses Modell gilt als eine der sichtbarsten Folgen des Digital Markets Act – und als Präzedenzfall für andere digitale Anbieter, die ihre Dienste künftig ebenfalls außerhalb der Apple-Infrastruktur vermarkten könnten.
Trotz der neuen Freiheit zeigt sich in den ersten Untersuchungen, dass die Öffnung bisher kaum zu einem Wandel im Nutzerverhalten geführt hat.
Eine Studie des European Centre for International Political Economy kommt zu dem Ergebnis, dass nur ein sehr geringer Anteil der EU-Verbraucher tatsächlich alternative App-Stores oder Sideloading nutzt. Die meisten Anwender bevorzugen weiterhin den App Store, da sie dort Vertrauen, Komfort und Sicherheit sehen.
Auch der Branchenreport State of Mobile 2025 von Sensor Tower zeigt: Die Umsätze innerhalb des Apple-Ökosystems steigen weiter – Anzeichen für eine nennenswerte Abwanderung zu alternativen App-Stores gibt es bislang nicht.
Warum der große Wechsel bisher ausbleibt
Forschungsberichte von CERRE und der EUTA-Allianz aus 2024 zeigen, dass Apple zwar formal eine Öffnung seines Systems ermöglicht, das Nutzerverhalten jedoch weiterhin durch subtile Hürden steuert – etwa durch Warnfenster, Gebühren oder mehrstufige Bestätigungsprozesse. Auch die Gestaltung der sogenannten Choice Screens spielt dabei eine wichtige Rolle: Wer bei der Installation einer App mehrfach auf Sicherheitswarnungen stößt, kehrt meist zum vertrauten App Store zurück.
Der CERRE-Bericht beschreibt dieses Phänomen als klassisches Beispiel einer Choice Architecture: Die Wahlfreiheit besteht theoretisch, wird aber durch psychologische Faktoren und Designentscheidungen stark beeinflusst.
Was iPhone-Nutzer konkret beachten sollten
Für Verbraucher bedeutet die neue Option: mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Eigenverantwortung.
Nur wenige Punkte sind entscheidend, um Sideloading sicher zu nutzen:
- Einstellungen prüfen: Sideloading muss manuell freigeschaltet werden – Apple verlangt eine bewusste Zustimmung.
- Quelle verifizieren: Nur von zertifizierten Marktplätzen oder bekannten Entwicklern laden.
- Updates beobachten: Dritt-Apps erhalten unter Umständen keine automatischen Aktualisierungen über den App Store.
- Sicherheitswarnungen ernst nehmen: Sie sind Teil von Apples Schutzsystem und kein bloßes Hindernis.
- Rechtliche Lage beachten: Nationale Glücksspiel- oder Datenschutzvorgaben gelten weiterhin – auch außerhalb des Stores.
Diese Vorsicht erklärt, warum die Masse der Nutzer bislang zögert: Wer jahrelang an die geschlossene Apple-Welt gewöhnt war, experimentiert nur behutsam mit neuen Kanälen.
Freiheit versus Fragmentierung
Das Ziel des DMA war es, den Wettbewerb zu fördern und geschlossene Ökosysteme zu öffnen. Doch mit der Öffnung entsteht zugleich Fragmentierung: mehrere App-Quellen, unterschiedliche Update-Zyklen, neue Sicherheitsrisiken. Apple selbst positioniert sich dabei als Sicherheitsanker im wachsenden digitalen Wildwuchs – eine Botschaft, die offenbar Wirkung zeigt, wie die Nutzungsdaten belegen.
Die EU-Kommission weist in ihrem Annual Report on the Digital Markets Act allerdings darauf hin, dass diese Lernphase normal sei.
Die Öffnung des iPhone-Ökosystems markiert einen historischen Wendepunkt:
Zum ersten Mal können EU-Nutzer Apps abseits des App Store installieren – eine Veränderung, die das Gleichgewicht zwischen Komfort, Kontrolle und Wettbewerb neu definiert. Doch der Alltag zeigt, dass Regulierung allein kein neues Verhalten schafft. Die meisten iPhone-Besitzer vertrauen weiterhin dem bekannten Store, und Apple hat dafür gesorgt, dass das so bleibt: Sideloading ist möglich, aber nicht unbedingt bequem.
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